Vor Tausenden von Jahren entstand in verschiedenen Kulturen der Begriff der Zahl und Menschen begannen, Berechnungen anzustellen, bis dann vor 2500 Jahren einige
Philosophen damit anfingen, sich für die Zahlen selbst zu interessieren, losgelöst vom praktischen Gebrauch. Sie erfanden die axiomatisch deduktive
Methode und etablierten so die Mathematik (altgriechisch μαθηματικη τεχνη,
mathematike téchne, die Kunst des Lernens
) als exakte Wissenschaft. (Niederländisch und Afrikaans sind die einzigen europäischen Sprachen, die
ein eigenes Wort geprägt haben, nämlich: Wiskunde). Die Philosophie (Liebe zur Weisheit) hatte damit einen Gegenstand gefunden, bei
dem man bis zur Wahrheit vordringen kann. Jede kecke Behauptung oder Vermutung muss bewiesen oder kann widerlegt werden. Aber es geschah erst im zwanzigsten
Jahrhundert, dass es Mathematikern gelang, die bis dahin vereinzelten Ergebnisse auf gemeinsame Fundamente und unter ein Dach zu bringen. Seither spricht man
von der modernen Mathematik; Adler [01]. Seit dieser Zeit geht es an den Universitäten bei den Vorlesungen für
Anfänger nicht um Zahlen, sondern um Aussagen und deren Verknüpfungen. Wir müssen sogar so tun, als wären wir Geschöpfe, denen Zahlen
gänzlich fremd sind, die aber dabei sind, Verknüpfungen mit gewissen Dingen zu entdecken.
Und es geht immer nur Definition, Satz, Beweis; Definition, Satz, Beweis; ...
Als ich in dieser Situation war, hatten wir einen blinden Kommilitonen unter uns. Anstatt sich nach der Matura (Abitur) auszuruhen, hatte er gleich hart
weitergearbeitet, um nicht auf Grund seiner Behinderung an der Uni von Anfang an ins Hintertreffen zu geraten. Hin und wieder fragten ihn Dozenten fürsorglich, ob er auch alles mitbekomme. Die unmittelbare
Antwort war stets: Das ist ganz klar
. Das war meist zum Missfallen der meisten von uns anderen, die wir nur Bahnhof verstanden hatten, aber nicht den Mumm
aufbrachten, nachzufragen. Die meisten Dozenten mögen es, wenn man Fragen stellt.
Eine Aussage in der Mathematik muss eine Eigenschaft aufweisen, die man Wahrheitsgehalt nennt, und dieser muss eindeutig sein, nämlich wahr (w) oder falsch (f). Die Negation einer Aussage wird mit dem Zeichen ¬ ausgedrückt. Ist P die Aussage "a ≠ b", dann ist ¬P die Aussage "a = b". (Fuzzylogik, unscharfe Logik, unscharfe Mengen (Fuzzy-Sets) findet man in einem der oberen Räume des Gebäudes der Mathematik).
Mit "A := 2024 ist ein Schaltjahr", weisen wir dem Platzhalter A einen ganzen Satz zu. Das erleichtert die Arbeit und macht sie übersichtlicher. Wir benützen dazu eine weitere Abkürzung. Mit := definieren wir etwas (Begriffsbildung). Auch =: wird verwendet, der Doppelpunkt ist neben dem zu definierenden Ausdruck. Aussagen können durch Junktoren (Konjunktion ∧ (logisches UND), bzw. Disjunktion ∨ (logisches ODER)) zu komplexeren Aussagen verknüpft werden.
Eine Wahrheitstabelle dient der Herleitung von komplexen (zusammengesetzten) Aussagen, durch Verknüpfung von Aussagen durch Junktoren. Wir entwerfen eine Tabelle, in der die rechte Spalte für
die gewünschte komplexe Aussage reserviert ist. In die linken Spalten kommen die Aussagen, aus denen die zusammengesetzte Aussage erstellt werden soll. Zwischen den beiden Bereichen sehen wir Spalten vor, die für
die benötigten Zwischenergebnisse gedacht sind. Dann beginnen wir damit, alle möglichen Wahrheitsgehalte in die linken Spalten zu schreiben und füllen Schritt für Schritt die Spalten von links nach rechts aus.
Beispiel für eine Wahrheitstabelle: Für zwei Aussagen P und Q setzen wir darunter die mögliche Kombinationen von Wahrheitsgehalten ein. In diesem Beispiel sind es vier Möglichkeiten und daher erhält die Tabelle vier Zeilen.
Wahrheitstabelle | ||||||
P | Q | ¬P | ¬Q | P ∨ ¬Q | ¬P ∨ ¬Q | (P ∨ ¬Q) ∧ ( ¬P ∨ ¬Q) |
w | w | f | f | w | f | f |
w | f | f | w | w | w | w |
f | w | w | f | f | w | f |
f | f | w | w | w | w | w |
Noch haben wir kein Zahlensystem definiert, aber wir wissen, dass es nicht mehr lange dauern kann; auch wissen wir noch aus der Schulzeit, dass wir vorhaben, mit Mengen von Zahlen zu arbeiten.
Wenn man in der Mathematik einen Begriff verwendet, der noch nicht definiert wurde, sagt man, dass man den Begriff naiv benutzt. Noch verwenden wir die verschiedenen Zahlenbegriffe naiv. Beim Begriff
der Menge belassen wir es bei der naiven Verwendung, denn die Theorie der Mengenlehre ist für sich schon eine axiomatisch-deduktive Theorie
(Halmos [26, 26a], Ebbinghaus [13]), der man sich, bei Interesse, zuwenden kann, wenn man die Treppe der Grundlagen
erklommen hat und sich in der großen Empfangshalle des mathematischen Gebäudes umsehen kann.
Unter einer Menge M verstehen wir ein Objekt, das eine Kollektion von wohlunterschiedenen
Objekten ist, welche keiner Anordnung unterliegen müssen und die wir die Elemente von M nennen.
Mit { } symbolisieren wir ein Behältnis, das wir die leere Menge nennen, eine Menge also, die kein Element enthält. Für die nicht-leeren Mengen M: = {a, b, a} und {b, a} =: N, ist M = N ein wahre Aussage,
weil jedes Element nur einmal zählt und die Reihenfolge nicht relevant ist. Wir haben a ∈ N (a ist ein Element von N) und c ∉ M (c ist kein Element von M).
Man verwendet Grafiken nicht, um etwas zu definieren oder zu beweisen, sondern nur, um sich etwas zu veranschaulichen. Zur Veranschaulichung von Mengen eignen sich Venn Diagramme wie in den Abbildungen 1 bis 6.
Mit C := A ∩ B = {x | x ∈ A ∧ x ∈ B} ordnen wir C den Durchschnitt oder die Schnittmenge der
Mengen A und B zu (Abb 1).
Ist C nicht leer, sind darin alle Elemente enthalten, die sowohl in A als auch in B enthalten sind).
Ist C leer, sagt man A und B sind disjunkt (Abb. 3).
Gilt aber A ∩ B = B, dann schreibt man B ⊂ A (Inklusion) und sagt, B ist eine Teilmenge von A (Abb. 2).
Gilt sowohl B ⊂ A als auch A ⊂ B, dann gilt A = B.
Da { } kein Element enthält, das nicht in jeder anderen Menge enthalten wäre, ist es trivialerweis wahr, dass { } ⊂ M, für jede Menge M.
Die Vereinigung zweier Mengen, A ∪ B = {x | x ∈ A ∨ x ∈ B} enthält alle Elemente, aus A und alle Elemente aus B (Abb. 6). Achtung: A ∪ A = A und nicht 2A.
Die Menge die man erhält, wenn man die Elemente von B hernimmt und alle die Elemente entfernt, die auch in A enthalten sind, bezeichnet man als die Differenz B∖A oder B-A (Abb. 4).
Als die symmetrische Differenz A Δ B zweier Mengen A und B (Abb. 5) bezeichnet man den Ausdruck (A ∖ B) ∪ (B ∖ A) = (A ∪ B) ∖ (A ∩ B).
Einige Bezeichnungen sind für spezielle Mengen reserviert:
∅ := { } (die leere Menge)
N := Menge der natürlichen Zahlen = {1, 2, 3, ...}
N0 := {0, 1, 2, 3, ⋅⋅⋅}
Z := -N ∪ 0 ∪ N = {⋅⋅⋅, -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ⋅⋅⋅} (die Menge der ganzen Zahlen)
Q := {p∕q | p, q ϵ Z ∧ q ≠ 0}, rationale Zahlen = alle (echten, endlichen und alle periodischen unendlichen) Brüche
R := Menge der reellen Zahlen
C := Menge der komplexen Zahlen, wobei C = {(a + ib) | a,b ∈ R, i2 = -1}
Es gilt: ∅ ⊂ N ⊂ N0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R ⊂ C
Mit |M| bezeichnet man die Kardinalität oder Mächtigkeit der Menge M. Bei einer endlichen Menge ist die Kardinalität gleich der Anzahl der Elemente in M (also ein n ∈ N ).
Bei einer transfiniten Menge bezeichnet man als Kardinalität die Klasse der Unendlichkeit der Menge M (also ein ℵn ∈ {ℵ0,
ℵ1, ℵ2 ... }). Die abzählbaren unendlichen Mengen
N, Z oder Q, haben die Kardinalität ℵ0 (Aleph-null). Das Kontinuum c, (R), hat die
Kardinalität ℵ1. (Cantorsche Kontinuumshypothese: CH ("Continuum Hypothesis") : 2ℵ0 = ℵ1).
Normalerweise schreiben wir für jede transfinite Menge M, |M| = ∞.
Habe ich eine Menge M mit A ⊂ M, dann heißt B := M∖A das Komplement von A (in M). Beispielsweise bildet die Menge der
geraden Zahlen das Komplement der Menge der ungeraden Zahlen (in der Menge der ganzen Zahlen Z).
|P(M)| = 2|M|.
Sind A1, A2, ... , An Mengen, so bezeichnen wir mit A1 x A2 x ... x An deren kartesisches Produkt.
Die Elemente dieser neuen Menge werden n-Tupel genannt und haben die Form (a1, a2, ... , an), wobei ai ∈ Ai. Hat
A1 n1 Elemente, gibt es n1 Möglichkeiten die erste Stelle im n-Tupel zu belegen. Für die zweite Position gibt es n2 Möglichkeiten ... , für die letzte Position
gibt es nn Möglichkeiten.
Es ist leicht einzusehen, dass |A1 x A2 x ... x An| = |A1| ⋅ |
A2| ⋅ ... ⋅ |An| ist. Ein Beispiel
für Ai = Aj ist R2 := R x R =: C. Die Elemente von C sind die komplexen Zahlen (a, b).
An erster Stelle in dem 2-Tupel steht der Realteil, an der zweiten Stelle steht der imaginäre Teil. Die Zahl (a, b) wird auch als a + ib bezeichnet.
R x R ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine Menge erst ausgestattet mit Axiomen und Operationen einen bestimmten "Verwendungszweck" erhält. Als C stellt R2 die
komplexen Zahlen in der Gaussschen Zahlenebene dar, in der analytischen Geometrie der Ebene ist sie die Menge der Koordinaten der Punkte und in einem 2-dimensionalem Vektorraum kann sie als
Elementmenge fungieren.
Eine Relation R zwischen zwei Mengen A und B ist eine Teilmenge des cartesischen Produkts A x B.
Hat A m Elemente und B n, so ist |A x B| = m ⋅ n.
Eine Relation aus A x B kann somit höchstens |A x B| Elemente haben. Im anderen Extremfall gar keines, wenn sie nur die leere Menge darstellt, wenn also kein Element aus A mit einem Element aus B die Beziehung aufweist, die man gerade untersucht.
Die Elemente sind 2-Tupel, also geordnete Paare (a, b), mit a ∈ A und b ∈ B. Die Menge A der linken Komponenten nennt man das Vorfeld oder den Definitionsbereich Def(R) von R,
und die Menge B der rechten Komponenten nennt man das Nachfeld oder den Bildbereich Bild(R) von R. Das geordnete Paar (a, b) darf nicht mit der Menge {a, b} = {b, a} verwechselt werden. Allgemein bezeichnet man eine
Relation mit R und für (a, b) ∈ R, schreibt man auch aRb. Normalerweise gibt man einer Relation einen
Namen, der die Beziehung zum Ausdruck bringt, an der man Interesse hat. Definiere ich V := "Ist verheiratet mit", kann ich in Zukunft anstatt "Hans (aus A) ist verheiratet mit Johanna (aus B)" schreiben HansVJohanna.
Das in Abb 7 dargestellte cartesische Produkt A x B hat 20 Elemente. Jede Teilmenge daraus stellt eine Relation dar. Sei R die Relation {(e, 3), (c, 2), (a, 4)}, dann gilt z. B.
(b, 1) ∉ R aber (e, 3) ∈ R,.
Sei A := die Menge der Einwohner von Kremsmünster und B := die Menge der Einwohner von Buxtehude, dann gibt es in der Relation "Ist verliebt in" aus A x B meines Wissens nur ein Element. Der Franz aus
Kremsmünster ist verliebt in Marion aus Buxtehude. Aus der Relation {(Franz, Marion)} kann man nicht erkennen, ob Marion auch verliebt in Franz ist (Symmetrie) oder ob Marion auch Karl liebt und Franz deshalb auch Karl liebt (Transitivität) oder ob Franz in sich
selbst verliebt ist (Reflexivität). Solche Eigenschaften kann man nur in cartesischen Produkten A x A, wie z. B. in R2 ausmachen. Der wichtigste Fall ist deshalb der einer Relationen R zwischen einer Menge M und sich selbst.
Man sagt dann R ist eine Relation über M (d. h. R ⊂ M x M).
Eine Menge zusammen mit einer oder mehreren über ihr definierten Relationen nennt man eine relationale (algebraische) Struktur.